
In den Weiten der Popkultur gibt es ein Muster, das so alt ist wie viele unserer Lieblingsfilme und -serien – und das zugleich verrät, wie Geschichten über Geschlechter denken: das Schlumpfine-Prinzip (engl. Smurfette Principle).
Der Begriff klingt verspielt, stammt aber aus einer ernsten medienkritischen Beobachtung. Geprägt wurde er 1991 von der US-amerikanischen Autorin Katha Pollitt, die in einem Artikel für die New York Times schrieb, dass in vielen Filmen und Serien eine einzige Frau inmitten einer Gruppe männlicher Figuren auftaucht. Diese eine Frau steht dann stellvertretend für alle Frauen – oft schön, vernünftig, empathisch, aber kaum individuell.
Benannt ist das Phänomen nach der Figur „Schlumpfine“ aus der Serie DIE SCHLÜMPFE: ein Dorf voller männlicher Charaktere – und eine einzige weibliche Figur, die ihre Weiblichkeit als Hauptmerkmal trägt.
Was das Schlumpfine-Prinzip bedeutet
Das Schlumpfine-Prinzip zeigt, wie Frauen in fiktiven Welten zur Ausnahmeerscheinung werden. Während männliche Figuren in allen möglichen Varianten auftreten, z. B. stark, ängstlich, witzig, chaotisch, bleibt die Frau meist die eine Frau im Team.
Das ist nicht unbedingt böser Wille. Es spiegelt jedoch ein verinnerlichtes Weltbild wider, in dem Männer als „neutraler Standard“ und Frauen als „Sonderfall“ erzählt werden.
In der Praxis bedeutet das:
- Eine Gruppe hat viele männliche Charaktere mit unterschiedlichen Persönlichkeiten.
- Dazu kommt eine einzige Frau, deren Rolle oft auf ihr Geschlecht reduziert wird.
- Ihre Hauptfunktion: emotionale Balance oder das klassische Love Interest.
Und dieses Prinzip zieht sich durch Jahrzehnte der Film- und Fernsehgeschichte. Das in den 1980ern so beliebte A-TEAM (1983-87) bestand aus vier gestanden Männern mit jeweils ganz eigenen Talenten, von taktierend über eigenwillig bis hin zu durchgeknallt, und dann gab es da in den ersten beiden Staffeln jeweils diese eine Frau als Anhängsel. Sie konnte was, schließlich war sie Reporterin, auch ihre Nachfolgerin. Aber wirklich wichtig für die Handlung waren sie beide nicht, weshalb sie ab Staffel 3 auch nicht mehr auftauchten.
Ähnlich verhält es sich bei KNIGHT RIDER, ebenfalls ein Straßenfeger in den Achtzigern. Die Frau im Team war Computer-Spezialistin, immer im Eighties-Look top und sexy gestylt, kam aber so gut wie nie aus dem der „Foundation“ gehörenden High-Tech-Truck heraus, musste sie doch immer zur Stelle sein, um K.I.T.T. wieder auf Vordermann zu bringen.
Auch STAR WARS macht hier keine Ausnahme. Die ikonische und bis zum heutigen Tage noch äußerst beliebte und von Carrie Fischer verkörperte Prinzessin Leia war in erster Linie eins: extrem sexy. Als einzige Frau im Heldenensemble konnte sie mit Waffen umgehen und dachte auch mit. Aber anstehen hinter ihren männlichen Kollegen musste sie trotzdem, allen voran Han Solo.
Die neueren Filme der Reihe und insbesondere die Streaming-Ableger aus dem Lukasfilm-Universum haben aber dazugelernt. So finden sich im Vergleich zur damaligen Zeit heute starke und unabhängige Frauenfiguren wieder, sei es in STAR WARS: ROGUE ONE, in dem Jyn Erso, gespielt von Felicity Jones, gegen das Imperium aufbegehrt oder in der Ableger-Serie AHSOKA, in der sich Rosario Dawson als Titelheldin auf die Suche nach ehemaligen Verbündeten macht.
Laufen zwei Männer durch den Wald, weil sie von einem anderen Mann beauftragt werden, einen Ring in einen Vulkan zu schmeißen und treffen unterwegs einen verrückten anderen Mann in einer Höhle – so oder so ähnlich könnte man DER HERR DER RINGE (2001-03) grob zusammenfassen. Egal, ob man das mit den Hobbits, Zwergen, Zauberern, Orks und so weiter korrekt erwähnt oder nicht, was auffällt: die entzückenden Elben Arwen und Éowyn bleiben Randfiguren, die zwar schön und ein paar Szenen mit ihnen sogar wichtig für die Handlung sind, den Rest machen die Männer dann aber doch unter sich aus.
Die GHOSTBUSTERS von 1984 waren ebenfalls ein reiner Männertrupp, bei dem jeder sein individuelles Talent in die Geisterjagd mit einbrachte. Die einzige Frau im Team kam als Sekretärin daher und durfte im Grunde einfach nur den Telefonhörer abheben, Aufträge annehmen und den Telefonhörer wieder auflegen. Hübsch war sie, aber nicht besonders helle – die anschließende Zeichentrickserie (1986-88) kombinierte die Sekretärin noch mit Slimer, dem liebenswürdig-schleimigen, grünen Geist als eine Art Haustier – traute ihrem Intellekt allerdings noch weniger zu als in der Realverfilmung.
Dem gegenüber stehen die weiblichen GHOSTBUSTERS von 2016. Die Geschichte ist im Grunde die Gleiche. Nur sind es hier die Wissenschaftlerinnen, die die Welt vor Geistern retten und nicht mehr die männlichen Vorgänger. Aus der Sekretärin wurde der Sekretär (gespielt von Chris Hemsworth) und ganz dem Prinzip des umgedrehten Klischees entsprechend, das sich durch den gesamten Film zieht, ist ebendieser zwar ziemlich dumm, dafür aber extrem heiß anzuschauen.
Ein Wandel in Sicht – Moderne Filme brechen das Muster
In den letzten Jahren hat sich genau dieses Bewusstsein stark verändert. Viele Regisseur*innen und Drehbuchautor*innen brechen das Schlumpfine-Prinzip bewusst auf und schaffen Geschichten, in denen Frauen echte Vielfalt zeigen dürfen.
Wie bei der Neuverfilmung der „Ghostbusters“ finden sich auch in MAD MAX: FURY ROAD von 2015 die Frauen in der ersten Reihe. Hier ist Furiosa (Charlize Theron) keine Nebenfigur, sondern die eigentliche Heldin. Frauen sind hier Überlebende und starke Anführerinnen, die sich durch nichts unterkriegen lassen.
LITTLE WOMEN (2019) erzählt die Geschichte der vier Schwestern Jo, Meg, Beth und Amy, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber alle das Schicksal der Armut und der patriarchalischen Strukturen, gegen die sie sich durchsetzen müssen, teilen. Aus Sicht der vier Frauen erzählt, offenbart sich eine Lebensgeschichte, die den Zuschauenden in unterschiedlichen Stationen der Frauen mitnimmt und Geheimnisse, Wünsche und Ziele offenbart.
Mit der Ironie auf die Spitze getrieben, hat es wohl von allen Filmen der letzten Zeit BARBIE (2023). Zwar darf die Hauptdarstellerin immer noch Up-To-Date, sexy, verwöhnt und in Feierlaune sein – dabei wird ihr aber etwas ganz Neues zugestanden: sie sucht nach dem Sinn des Lebens. Revolutionär, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei lediglich um eine Anziehpuppe handelt. Und so stolziert Barbie aus ihrer Fantasiewelt heraus in die wirkliche Welt, krempelt das rudimentäre Weltbild der Mattel-Bosse um, lässt eine Puppen-Entwicklerin eine flammende Rede über das Frausein halten – eine Rede, die Schauspielerin America Ferera über Nacht überall da bekannt macht, wo man sie als „Ugly Betty" noch nicht kannte – und lässt Ken einfach mal links liegen. Dieser – und all die anderen Kens – versinken in der Sinnkrise, nur um letztendlich zu erkennen, dass alle gleich viel Wert sind, egal ob Ken oder Barbie, äh, sorry, egal ob Mann oder Frau.
Fazit: Mehr Frauen, mehr Geschichten
Das Schlumpfine-Prinzip ist kein Relikt der Vergangenheit – aber es verliert an Macht. Immer mehr Filmschaffende erkennen, dass Geschichten besser, spannender und menschlicher werden, wenn Frauen nicht als Ausnahme, sondern als Selbstverständlichkeit dargestellt werden, was sich immer deutlicher in Serien und Filmen zeigt.
Denn: Eine starke weibliche Figur ist nicht genug.
Erst wenn es viele verschiedene Frauenrollen gibt, die miteinander und unabhängig von Männern agieren, haben wir das Schlumpfine-Prinzip wirklich hinter uns gelassen.
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