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Wer ist Alan Smithee?

In der Filmwelt gibt es zahllose Pseudonyme, aber keines ist so sagenumwoben wie Alan Smithee. Der Name tauchte über Jahrzehnte hinweg in den Credits unzähliger Filme und Serien auf – und doch existiert dieser Regisseur gar nicht. Alan Smithee ist ein Phantom, eine Tarnidentität, hinter der sich echte Filmemacher versteckten, wenn sie mit dem Ergebnis ihres Werkes nichts mehr zu tun haben wollten.

 

Die Geschichte von Alan Smithee beginnt Ende der 1960er Jahre. Die amerikanische Regiegewerkschaft Directors Guild of America (DGA) führte das Pseudonym ein, um Regisseuren die Möglichkeit zu geben, sich von einem Film zu distanzieren, wenn sie die künstlerische Kontrolle verloren hatten. Voraussetzung: Der Regisseur musste nachweisen, dass das Endprodukt so stark verändert wurde, dass es nicht mehr seiner ursprünglichen Vision entsprach.

Erster offizieller Einsatz

Erstmals tauchte der Name 1969 im Western DEATH OF A GUNFIGHTER auf. Nachdem sich der ursprüngliche Regisseur und sein Ersatz zerstritten hatten, beschloss die DGA, dass niemand den Film für sich beanspruchen wollte – und so wurde Alan Smithee geboren. Von da an wurde das Pseudonym zum Synonym für kreative Enttäuschung und Produzenteneingriffe.

 

Über die Jahre entwickelte sich Alan Smithee zu einem Insiderwitz in Hollywood. Wenn der Name im Abspann erschien, wussten Eingeweihte sofort: Hier war etwas schiefgelaufen. In den 1980er und 1990er Jahren trug Smithee zahlreiche missratene Projekte, Fernsehfilme und Musikvideos in seiner „Filmografie“. Selbst auf DVD-Covern und Festivalplakaten tauchte der Name auf – stets als Zeichen künstlerischer Sabotage.

 

Mit der Zeit wurde das Pseudonym zu bekannt. Spätestens nach dem satirischen Film AN ALAN SMITHEE FILM: BURN HOLLYWOOD BURN (1997) war das Geheimnis endgültig gelüftet. Ironischerweise distanzierte sich der echte Regisseur des Films – Arthur Hiller – selbst vom Ergebnis und ließ es… genau: unter dem Namen Alan Smithee veröffentlichen. Nach diesem PR-Desaster verbot die DGA die weitere Nutzung des Pseudonyms im Jahr 2000.

 

Dies hinderte aber im Jahr 2007 die Regisseurin einer Episode des Kinofilms "GG19 – 19 gute Gründe für die Demokratie", Nina Franoszek nicht, das Pseudonym Alan Smithee dennoch zu verwenden. Im Buch "Karlsruhe als Filmkulisse" des Autoren-Duos Nadine Knobloch und Oliver Langewitz verriet sie im Interview, warum sie dieses verwendete: "Hierbei handelt es sich ganz einfach um den Hinweis, dass es einen Director´s Cut gibt, im Gegensatz zu dem verwendeten Producer`s Cut. (...) Jedenfalls landete meine Episode dann nicht in meiner endgültigen Schnittfassung im Kinofilm, was ich damals mit dem offiziellen Pseudonym "Alan Smithee" habe kennzeichnen lassen. Dies ist im Grunde für Filminsider der Hinweis, dass es noch einen "Director`s Cut" mit meiner Fassung gibt."

Warum Alan Smithee unsterblich bleibt

Auch wenn Alan Smithee offiziell „in Rente“ ging, lebt der Mythos weiter. Er steht sinnbildlich für die kreative Ohnmacht vieler Filmschaffender im Studiosystem – für den Moment, in dem Vision und Realität auseinanderfallen. Heute wird der Name oft ironisch zitiert, wenn Regisseurinnen und Regisseure scherzhaft mit ihrem Werk hadern.

 

Alan Smithee ist kein Mensch, sondern ein Mahnmal – für die Machtkämpfe, Kompromisse und gebrochenen Träume, die hinter der glänzenden Fassade Hollywoods lauern. Und obwohl sein Name heute kaum noch in Abspännen auftaucht, erinnert er uns daran, dass Kunst immer auch ein Kampf um Autorschaft ist.